Das französische Baskenland

03.06.2023. Sare war unser erstes Ziel im französischen Baskenland. Ein kleiner Stellplatz mit PKW zu teilen, direkt unterhalb der kleinen Stadt Sare. Ganz in der Nähe der Bergbahn auf die Rhune.

Auf die Rhune fährt eine Zahnradbahn aus den 1920 er Jahren. Noch Original mit Brettern verkleidet und mit max. 9 km/h Die Rhune ist ein baskisches Nationalheiligtum, um das sich viele Mythen und Geschichten von Hexen, Trollen und anderen Fabelwesen ranken. Ähnlich denen vom Brocken im Harz.

Sare ist ein typisch baskisches Dorf mit historischem Ortskern und den typischen Fachwerkhäusern. Weiß, mit blutroten Fensterläden und Verzierungen. Selten in grün oder blau. Die Spezialität ist der gateau basque. Ein mit Früchten und Mandelcreme gefüllter Mürbeteigkuchen. Gerne wären wir länger als eine Nacht geblieben, aber, aber, aber.

Am Abend war der Stellplatz bis auf einen einzigen PKW komplett mit WOMOs belegt. Zum Teil bis auf unter einen Meter aneinander geparkt. Auch neben mir war links und rechts sehr wenig Platz geblieben. Damit konnte Raphael gar nicht umgehen, es war ihm einfach zu eng. Zu viele Menschen auf zu engem Raum.

Daher ging es am Morgen weiter. Wahrscheinlich waren die anderen WOMO alle auf dem Weg zur Rhunebahn, da deren Parkplatz laut Reiseführern regelmäßig überfüllt ist und man deshalb am besten nur mit Vorreservierung im Internet die Tickets buchen sollte.

Wie so oft auf unserer Reise war der Sparren von Raphael zu etwas schönem gut. Sonst wären wir nicht auf dem nächsten tollen Stellplatz gelandet und hätten nie eine wunderbare Höhle besucht.

Die Grotte de Isturitz

Geplant war, dass wir nach St.-Jean-Pied-de-Port an den Fuß der Pyrenäen fahen. Es ist die letzte Station des Jakobsweges in Frankreich und ist für viele Jakobswegwanderer  der Einstieg in die Nordroute des Camino. Danach sollte es in die Pyrenäen auf gut 1.500 Meter Höhe zum Lac de Iraty gehen, wo es sogar einen offiziellen Stellplatz gibt. Sicher ein Traum.

Aber!

Das Wetter!

Es waren für mehrere Tage in dieser Gegend starke Gewitter mit heftigen Winden und Starkregen vorhergesagt. Schon von Sare aus konnte man die dunklen Wolkentürme über den Pyrenäen sehen und das dumpfe Grollen von Gewittern hören. Das war uns allen dann doch zu unsicher. Vor allem bei diesen Wetteraussichten auf 1.500 Meter hochfahren und dann im Gewitter und den Wolken stehen?

Wir waren uns schnell einig, nein das werden wir nicht machen.

Himmlische Ruhe, unterirdische Überraschung

04.06.2023. St. Martin de Arberoue. Direkt am Ortseingang von St. Martin de Arberoue durfte ich im Schatten von mittelgroßen Ahornbäumen auf Schotter stehen. Der Weg dorthin war genau nach unserem Geschmack. Über sanfte Hügellandschaften, kurvige schmale Sträßchen, verschlafene Dörfer und wechselnden Perspektiven. Mein Blick ging in eine Hügellandschaft mit Kühen und Schafen. In einem Grün das in Irland nicht grüner sein könnte.

Dieser Ausblick wog dann das etwas unangenehme Gefühl des groben Schotters unter meinen Reifen wieder auf. Direkt am Ortseingang gegenüber einem riesigen Pelote Feld auf dem sogar Wettkämpfe ausgetragen werden. In Zumaia habe ich dieses Spiel ja schon einmal erwähnt, aber nicht weiter erklärt.

Pelote ist ein Ballspiel das wie eine Mischung aus Baseball und Squash aussieht. Ein kleiner Ball wird gegen eine Wand gespielt und mit einem an einem Handschuh befestigten langen Weidenkorb wieder aufgefangen. Der Ball darf nur einmal den Boden berühren und das Spielfeld nicht verlassen, bevor er wieder gegen die Wand gespielt wird. Pelote ist der wichtigste Volkssport der Basken, aber es gibt auch so alte Wettbewerbe wie Baumstammwerfen und Mühlsteinstemmen. Hier also keine Reminiszenzen an Irland, aber an die Highlands von Schottland.

Aus der Ferne war immer wieder das Donnergrollen in den rund 40 Kilometer entfernten Pyrenäen zu hören und sonst begleiteten uns nur weit entfernte Kuhglocken durch die Nacht. Gut, dass wir auf Saint-Jean-Pied-de-Port verzichtet hatten!

Am Sonntag ging es dann zu den Höhlen von Isturitz und Oxocelhaya. Ja, Du hast richtig gelesen: Oxocelhaya. Baskisch eben. Kennst Du ja schon diese unglaublichen Buchstabenkombinationen die die Basken problemlos zu Wörtern formen.

Diese Höhlen bestehen aus drei übereinanderliegenden Höhlensystemen. Seit etwa 80.000 vor Christus wurden die Höhlen von Menschen benutzt und bewohnt. Es sind aufgrund der mehreren 10.000 Fundstücke klar Verbindungen zu der Höhle von Lascaux und der spanischen Höhle von Altamira nachzuweisen. Vor so langer Zeit also Fernhandel, ohne Straßen, Karten und allem anderem was wir heute zum Reisen und Handeltreiben benötigen.

In einer der Höhlen gibt es Felszeichnungen und Ritzungen, in der anderen unvorstellbar schöne Tropfsteine, Sintervorhänge, die bei Licht durchscheinend wirken, und Wände voller Calcit Ablagerungen. Diese sind zuerst völlig unspektakulär. Aber sobald Licht auf diese Wände, die wie senkrechte Strände aussehen, beginnen sie zu glitzern und zu funkeln wie der Sternenhimmel. Von jedem, wirklich jedem der an der Führung teilnahm war ein Ah oder Oh der Überraschung zu hören. Leider duften die Beiden in der Höhle keine Fotos machen, aber ihre Erzählung reichten schon aus um mich zum Träumen anzuregen.

Das Bearn

05.06.2023. Es ging weiter nach Sauveterre de Bearn. Es liegt auf einem Felsen über der Gave. Neben der schönen alten Kirche bilden ein Wachturm, der Tour Montreal, aus dem 13. Jahrhundert und ein altes Schloss die mittelalterliche Skyline der Stadt.

Das Bearn ist eine ehemalige Vizegrafschaft und historische französische Provinz. Zusammen mit dem französischen Baskenland bildet es das Departement Pyrenees-Atlantiques.

Einen schönen zentralen Platz, der gerade saniert und neu angelegt wird und einige alte Häuschen über den Dorfkern verteilt. Ansonsten bestechen die Lage an einer Biegung des Gave und das Panorama der Stadt.

Es gibt eine Area Camping Car, die aber sehr wenig ansprechend ist. Vom Womo-Verlag hatten wir den Tipp an den Fluss zu fahren und dort bei einem Picknickplatz  mitten im Grün zu stehen. Allerdings warnte der WOMO Verlag, dass seiner Meinung nach nur WOMO mit den Maßen von einem VW Bus dorthin fahren sollten, da die Straße sehr schmal sei und oft Transporter mit einem riesigen Kanutransportanhänger dort unterwegs sind. Sollte es zu einem Treffen von VW Bus und Kanutransport kommen gäbe es arge Probleme.

Solche Hinweise haben wir jetzt schon oft gelesen, auch wegen Aufsetzen oder engen Kurven oder zu kleinen Parkplätzen um zu wenden. Alles hat sich immer als für mich unproblematisch herausgestellt. Mein Navi hat ja den WOMO Modus eingeschaltet und es kam keine Warnung dass der Weg zum Flussufer für mich nicht machbar sei. Also ab und hinein in das enge und so gefährliche Sträßchen. Außer in zwei Kurven war es nicht enger als so manche Landstraße hier im Süden. Es gab immer wieder Ausweichstellen falls ein großes Fahrzeug entgegengekommen wäre und was soll ich Dir sagen? Wir kamen ohne Probleme, Kratzer oder sonstige Unbill bei dem Picknickplatz an.

Ein Traum.

Noch 2 Häuser vor dem Ende der Straße in 50 Meter Entfernung. Ein schattiges Plätzchen mit Blick zum Fluss Gave und viel Grün, viel Ruhe und sehr viel Vogelgezwitscher.

Eine Nacht? Nein dafür war der Platz definitiv zu schade. Sauveterre de Bearn war schnell erkundet. Am nächsten Tag gingen die beiden zu Fuß zu einem nahegelegenen Supermarkt, wo es eine SB Waschstation gab. In Frankreich gibt es keine so chicen SB Waschsalons mit Stühlen, Aufenthaltsraum und Tischen um die Wäsche zusammenzulegen wie in Spanien. In Frankreich stehen die SB Waschsalons oft auf einem Supermarktplatz mit einer Überdachung und fertig. Wir haben aber auch schon in abgelegenen Gegenden welche gesehen die einfach so auf dem Gehsteig aufgebaut waren.

Es gibt ähnlich wie in Avignon eine Brücke, die zur Hälfte irgendwann vom Fluss weggerissen wurde und in diesem Zustand belassen wurde.

Die Brücke führte einst in drei Teilen über die Gave und eine in der Gave liegende Insel. Diese Ile de Gave kann man über eine Passarelle erreichen und erwandern. Na ja, eher erspazieren. Was sehr schön ist und auch interessant, da es auf dieser Insel sehr viele exotische Pflanzen und Bäume gibt.

Du musst nicht fragen ob meine Beiden das gemacht haben.

Es gab schöne Spazier- und Wanderwege an der Gave entlang, wo Raphael joggen konnte und die Beiden ausgedehnte Ausflüge unternahmen. Mir gefiel es außerordentlich gut. Ich stand schön in einer Ecke einer kleinen Schotterfläche unter Bäumen halb im Schatten.

Bei dem gewittrigen Wetter und fast 30 Grad Außentemperatur perfekt für mich. Direkt hinter mir gut 30 Meter höher die Altstadt von Sauveterre und vor mir mit kaum 20 Meter Distanz die vor sich hin strömende Gave. Kann das Leben und oder Reisen schöner sein?

Mein Lieblingsplatz ever! Ich werde ausdrücklich hier begrüßt (Randonneur) und mir wird ein Espace (Platz) reserviert

Nach zwei Tagen und Nächten mit Fluss Rauschen und frühem Vogelgesang ging es dann auf eine etwas längere Etappe. Natürlich ausschließlich über Landstraßen. Versteht sich ja von selbst, oder?

Labastide de Armagnac

07.06.2023. Labastide de Armagnac hat nicht einmal 700 Einwohner aber einen tollen sehr großen, grünen Stellplatz keine 5 Minuten vom Dorfkern entfernt.

Die Bastide aus dem 12. Jahrhundert besteht im Wesentlichen aus einem zentralen Platz, dem Place Royale, um den die Kirche und eine Reihe wunderschöner alter Fachwerkhäuser mit auf schweren Steinsäulen ruhenden Arkadengängen gruppiert sind. Steht vor einem Haus ein großes Holzfass, kann man dort Armagnac verkosten und kaufen.

Mal wieder etwas für Deine Bildung: Armagnac ist ein Weinbrand, der schon im Jahre 1461 schriftlich erwähnt wird. Damit ist Armagnac das älteste AOC Produkt Frankreichs. Also ist der Armagnac mehrere hundert Jahre älter als der viel bekanntere Cognac. Darüber hinaus ist der Armagnac ein Multikulti Produkt, wie man heute sagen würde.

Die Römer brachten das Wissen um den Weinanbau nach Frankreich, die Gallier wussten die besten Holzfässer herzustellen und die Mauren trugen das Wissen um die beste Destillationsmethode bei. So wurde mit Hilfe aller aus Wein Armagnac. Dieser wird in einem einzigen Brennvorgang aus Weißwein destilliert. Anschließend lagert der Brand mindestens für 3 Jahre, oft aber auch für 6 bis 7 Jahre in Steineichenfässern aus der Gascogne, die nur einmal benutzt werden. Das Anbaugebiet der verwendeten Trauben ist genau abgegrenzt.

Da die Fässer ja nur einmal benutzt werden sind sie ja zu schade um sie wegzuwerfen, oder nicht? Was glaubst Du was mit den Fässern passiert?

Sie werden von anderen Betrieben die hochprozentige Produkte herstellen gerne aufgekauft und weiterverwendet. In einer Doku sahen wir, dass eine Whiskey Destille in Schottland, die von einer Frau betrieben wird (in Schottland fast undenkbar und dann auch noch nachhaltig!!!), viele dieser Armagnac Fässer aufkauft und darin den Whiskey reifen lässt.

Sogar ein Ecomusee de Armagnac gibt es. Dort wird alles Wissenswertes zu Armagnac erklärt natürlich einer Degustation.

Mit nur wenigen anderen WOMOs verbrachten wir eine ruhige Nacht.

Allerdings sollte man bei starkem Regen diesen Stellplatz nicht unbedingt anfahren. Am Eingang bei der Ver- und Entsorgung hängt ein Foto aus dem Jahre 2018. Darauf sieht man ein WOMO in einem See. Das Wasser reicht fast bis über die Oberkante der Reifen. Der See in dem das WOMO scheinbar badet ist aber gar kein See, sondern der nach einem Starkregen vollgelaufene Stellplatz!

Der totale Zufallsfund

08.06.2023. Es sollte heute auf einen Stellplatz direkt am Ufer der Garonne gehen. Die circa 90 Kilometer Fahrt über kleine Landstraßen waren angenehm. Die Landschaft war eher unspektakulär.

Nur der Straßen Verlauf! Zwar fast nur über viele Kilometer schnurgerade, aber gefaltet wie eine Achterbahn. Es ging immer bergauf und bergab beim geradeaus fahren. Oft sah man von einer Kuppe über 1 bis 2 Kilometer die gerade Straße nicht, weil man nur die nächsten 2 oder 3 Kuppen sehen konnte. Ein Anlass für meine Beiden immer wieder neu Späße zu machen, wenn wir eine Kuppe überfuhren und wieder ins „Wellental hinab stürzten“. So kann man es am besten beschreiben, wie das Fahrgefühl war.

Da wir mehrfach die Garonne überfuhren, waren wir uns nicht mehr sicher, ob wir an den Stellplatz direkt am Ufer wollten. Die Garonne war sehr wild, führte viel Setiment mit, war ganz braun und sehr hoch. Sollten wir dort wirklich hin stehen? Zumal es immer noch Gewittergefahr gab, was den Pegel und die Wildheit sicher nicht minimiert hätten.

Kurz nach Buzet val de Albret bremste Raphael plötzlich scharf und bog rechts in einen Wirtschaftsweg ein. Sybille und ich waren sehr überrascht was da jetzt kommen mag. Raphael hatte ein Schild gesehen, auf dem ein Picknickplatzsymbol war, kombiniert mit einer Vogelbeobachtungsstation und einem Infostand zur Gegend. Aus Erfahrung wussten wir ja, dass Picknickplätze immer für eine schöne ruhige Nacht gut sind. So war es auch.

Der Platz in der Nähe eins Baggersees war perfekt. Kein reißender Fluss in der Nähe. Nur ein Hof mit Pferden. Dort wurde die Besitzerin gefragt, ob wir auf dem Gelände der Beobachtungsstation stehen und übernachten könnten. Kein Problem, meinte die Dame  lächelnd. Es kämen sehr selten WOMOs hier vorbei und es störe hier bestimmt niemanden. Na toll, dass Raphael das Hinweisschild entdeckt hatte.

Das einzige Manko war die Hitze, da der Platz kaum Schatten bot. Mein Kühlschrank incl. Tiefkühler war schwer am Arbeiten. Immerhin erreichten wir fast 30 Grad außen und fast 35 im Innern! Da aber wieder mal Gewitter angesagt war, ging immer ein Wind und wir konnten es gut aushalten.

In der Nähe verlief ein Seitenkanal der Garonne, der zum System des Canal du Midi gehört und auf dem Hausboote fahren. Dort machten meine Beiden einen sehr ausgedehnten Spaziergang. Der Kanal war wie üblich in Frankreich zu beiden Seiten mit riesigen zum Teil uralten Platanen bestanden. Daher angenehm kühl mit dem unter Bäumen typischen angenehmen Mikroklima. Kühl, aber nicht kalt, ein laues Lüftchen aber nicht zu windig, schattig und dennoch Sonnenstrahlen durch lassend. 

Ich muss ja nicht erwähnen, dass die Nacht sehr ruhig war, oder? Um 22.30 Uhr fuhr das letzte Auto vorbei. Das Wochenende stand vor der Tür, ich sollte mal wieder dringend durchgesaugt werden und so suchten die beiden einen ruhigen Campingplatz. Ja einen Camping. Stellplätze gibt es hier zwischen der Garonne und dem Lot zwar viele, aber kaum mit Strom.

In Saint-Gery Vers fanden wir einen Camping Municipal, der auf den Fotos genau unserem Beuteschema entsprach. Klein, am Ufer des Lot, toller alter Baumbestand, viel Schatten. Selten eine Bewertung auf park4night, kein Restaurant, kein Pool, kein Kanuverleih. Einfach nur ein gemütlicher Camping mit Basisversorgung an Strom, Duschen und Toiletten. Da würde am kommenden Wochenende sicher nichts los sein. Zumal die Gegend hier sowieso nicht sehr touristisch geprägt ist. Der Aire de Camping Car Vers machte gefiel mir auch gleich.

Noch ein Wort zum Namen. Es kommt oft vor, dass ein Campingplatz viele Namen hat.

Dieser zum Beispiel heißt, auf verschiedenen Hinweisschildern nachzulesen:

  • Camping Arquette
  • Camping Municipal Saint Gery Vers
  • Aire de  Camping Car Vers

Soll verstehen wer will!

Alle Plätze auf einer Wiese, schön eben und meist unter alten Platanen. So gab es dichtes wohltuendes Gras für meine Reifen zum Ausruhen.

Auch der Weg hierhin war wieder wie ein Ritt über Wellen. Schön, aber irgendwann auch eintönig. Immer nur geradeaus und hoch und runter. Das erinnerte meine Beiden an das Burgund, wo sie vor Jahren ohne mich die Weingüter unsicher gemacht hatten. Nur war es hier ungleich schöner. Es gab eben nicht nur Weinberge mit Reben sondern auch grüne Weiden, Weizenfelder, Gemüseanbauflächen, Mais und ja, auch Reben.

Für das Auge eine Wohltat ohne kilometerweiten Blick nur auf Reben. Hier sah das Auge weite grüne Wiesen gesprenkelt von vielen Farbtupfern von rotem und orangefarbenem Mohn. Gelbe Tupfer von Löwenzahn, Hahnenfuß und Königskerze. Rote und violette Töne von Fingerhut, Eisenkraut und vieles mehr. Oder einfach nur goldene Landschaftsanstriche von Weizenfeldern und Wiesen, auf denen das Gras weit über 1,50 Meter hoch stand und sich im Winde wog.

Sehr stark an das Burgund erinnerte, die Dichte an Chateaus, die fast ausschließlich auch Domänen für Armagnac waren.

Eine kleine Schrecksekunde gab es noch: Im Führer vom WOMO Verlag stand, dass man zum Platz nicht dem Navi , sondern bis zum Ortsende fahren und dann dem Schild zum Camping Municipal folgen soll.

Das hatte Raphael vergessen. Also führte mein Navi uns mitten durch das enge Dörfchen. Sie würde ja wissen, wo ich durchpasse und wo  nicht. Es ging steil bergab mit vielen Kurven und nach etwa 150 Metern kam eine Passage, wo Sybille meinte, da passen wir nicht durch. Wir passten durch! Links und rechts etwa 20 Zentimeter Luft aber es reichte. Danke Raphael. Die 150 kurvigen und engen Meter hätte ich im Rückwärtsgang nicht zurück gewollt. Danke auch Dir mein schon oft beschimpftes Navi, Du hast gute Arbeit geleistet.

Der Platz, der über 80 Stell- und Zeltplätze verfügt, war bis auf 4 weitere WOMOs ,bzw. Zelte, leer. Er lag direkt am Lot. Nur durch einen alten steinernen Damm und einigen kleine Schiffsanlegestellen vom Wasser getrennt. Die Rezeption ist wie bei vielen Camping Municipal in Frankreich eher sporadisch geöffnet. Morgens von 8.00 Uhr bis 10.30 Uhr und am Abend weiter 2,5 Stunden. In den rezeptionslosen Zeiten fährt man einfach auf den Platz, schaut sich in aller Ruhe die Plätze an, belegt den, der einem am ehesten zusagt. Sobald wieder jemand an der Rezeption sitzt, geht man hin und meldet sich an.

Ganz französisch im Sinne von laissez fair, was auf deutsch angenehmes Tun bedeutet. So waren auch die 3 Tage, die ich der Wiese unter dem Schatten einer großen alten Platane verbringen durfte, ein angenehmes Tun. In meinem Fall eher Nichtstun. So liebe ich das Leben.

Die drei Tage sind schnell zusammengefasst. Am ersten Tag wurde ich mal wieder staubgesaugt. Die Beiden hatten für diesen Tag Strom gebucht. Der Staubsauger braucht ja Landstrom mit 220 Volt. Das kann ich nicht zur Verfügung stellen. Sonst bin ich dank meiner zwei Solar Paneels ja komplett netzunabhängig.

Zwei Tage vorher durfte ich wieder einmal eine Komplettwäsche genießen. Bei einer OKI SB Waschstation wurde ich shampooniert, dampfgestrahlt und mit entkalktem Wasser nachgespült. Tat das nach all den Wochen am Meer seit der letzten Wäsche gut. Der Dreck und das angesammelte Salz aus der Luft und von der Gischt liefen in dicken schwarzen Streifen an mir herunter. Diese OKI Anlage hat so viel Power beim Dampfstrahlen, dass ich in Kombination mit dem Shampoo seit langem mal wieder so richtig sauber war und sogar glänzte. Meine Beiden liesen sich zu Komplimenten hinreißen, wie glänzend und chic ihr Bruno doch aussehe. So liebe ich es.

Im Ort gab es eine Boulangerie mit einem großen Sortiment an Baguette, Brot und süßen Leckereien. Dort ging einer der Beiden öfter mal kurz vorbei. Obwohl er da schnell einen Schreck bekam. Baguette für 2,10 € und Croissants für 1,80 €? Das waren nicht die Preise, die wir noch von Januar für eine französische Boulangerie im Kopf hatten. Das war ja mal eine Preisexplosion!

Mehrere schöne lange Spaziergänge am Lot, zweimal Joggen, viel draußen sitzen und dem bisher meist verbotenen, aber auf einem Camping erlaubten Camper Verhalten frönen.

D.h. Stühle und Tisch raus, Markise runtergekurbelt und so viel Zeit wie möglich vor meiner Aufbautür in Sonne oder Schatten verbringen. Wie haben meine Beiden das genossen.

Das Wichtigste hätte ich nun fast vergessen. Sie haben einige Zeit damit verbracht meinen Reisebericht weitervoran zu bringen. Wir wollen ja nicht, dass es Dir am Ende langweilig wird.

Nachdem wir jetzt einige Tage zwischen der Dordogne und dem Lot gefahren sind, ist nun definitiv das Tal des Lot unser momentanes Domizil. Dieses, teils schmale und dann wieder weit aufgehende Tal erinnert sehr an andere Flüsse. Das über Jahrtausende eingegrabene Flussbett mit seinen sehr schroffen Felsabbrüchen an den Rändern sieht wie das Tal des Doubs im Jura, noch mehr wie das Tal des Tarn aus.

Alle drei kein Vergleich zum hochgepriesenen Tal der Ardeche, weil viel besser. Zumindest nach Meinung meiner Beiden. An der Ardeche kann man nur kurz am Fluss entlangfahren und ansonsten weit oberhalb. Bei Doubs, Tarn und jetzt auch hier am Lot fährst Du direkt neben dem Fluss, direkt an den Felsen und Klippen entlang und oft genug ist die Straße in den Fels gesprengt mit massiven Überhängen und Durchbrüchen, die kaum höher als ich selbst sind.

Der Chemin de Halage

12.06.2023. Nach gerade mal 20 Kilometern ging es rechts über eine sehr schmale Brücke, die nur im Einbahnstraßen System zu passieren ist, über den Lot nach Saint Cirq-Lapopie. Nicht ganz freiwillig, die Brücke über den Lot in Bouzies ist nur 2,30 Meter breit. Da ich ohne Außenspiegel schon 2,23 Meter breit bin und ich doch ziemliche Schlappohren, also Außenspiegel mein Eigen nenne, wollten wir es mit dieser Brücke erst gar nicht versuchen.

Aber nun zum eigentlichen Grund für dieses Ringelspiel mit den Brücken. In Saint Cirq-Lapopie, einem 200 Seelendörfchen auf einer Felsklippe hoch über dem Lot gibt es zwei gemeindeeigene Stellplätze. Wenn beide belegt sind, übernachten dort mehr Menschen als oben im Dorf. Da meine beiden aus dem Fehler, den sie in Sare begangen hatten auch etwas gelernt hatten, war ich mit der Platzwahl sehr zufrieden. Ich bekam den äußersten Stellplatz am Rand, neben der Wiese, mit Blick auf den träge dahinschleichenden Lot und mit meiner Aufbautür zum Grün.

Alle anderen Stellplätze waren somit links von mir und die beiden bekamen vom Gehen und vor allem Kommen der anderen WOMOs nichts, rein gar nichts mit. Gut gemacht.

Da die Anfahrt ja recht kurz war, ging es auch nach einer kleinen Stärkung los. Der Grund unseres Besuches wartete. Du bist jetzt sicher auch schon gespannt, was zwischen Bouzies und Saint Cirq-Lapopie, die Du beide sicherlich nicht kennst, wohl tolles zu finden ist.

Der Chemin de Halage. Ein Treidelpfad am Lot entlang.

 Diese Pfade gab es an jedem Kanal, da sie zum Bewegen der Transportkähne benötigt wurden. An langen Trossen wurden die Frachtkähne in der noch motorlosen Zeit von Pferden, Mulis oder auch Menschen die Kanäle flussaufwärts gezogen. Auch am Seitenkanal der Garonne habe ich den Platanen bestandenen Treidelpfad schon erwähnt. Hier handelt es sich aber nicht um einen aufgeschütteten Damm neben dem Kanal, sondern wegen der Enge des Tales wurde der Treidelpfad teilweise in den Fels gesprengt. Das ist die Sehenswürdigkeit.

Der gesamte begehbare oder noch vorhandene Teil des Chemin de Halage benötigt eine Wanderzeit von 3 Stunden hin und retour. Deshalb so viele WOMO in Saint Cirq-Lapopie. Am Abend waren die Plätze bis auf ganz wenige komplett belegt. Also mehr Nachtgäste als Einwohner.

Meine Beiden hatten die Wanderung ja schon früh am Tag erleben dürfen und genossen nun die Liegewiese am Lot, meine schattenspendende Markise und die kühlende Brise, die ein aufziehendes Gewitter vorausschickte.

Das Tal des Cele und Camboulit

13.06.2023. Die Planung sah vor, das Tal des Lot flussaufwärts zu fahren. Über die Hochebene das Tal des Cele bis nach Bouzies zurück wo der Cele in den Lot mündet. Von dort dann wieder zurück Richtung Figeac. Erneut am Lot oder am Cele entlang. Das erschien uns allen doch sehr widersinnig, zumal auch für diesen Tag wieder Niederschläge und Gewitter vorhergesagt waren.

Sybille hatte die Karte studiert und eine geniale Lösung gefunden, indem wir die Strecke am Lot entlang abkürzten und über die Hochebene ins Tal des Cele weiterfuhren.

So hatte ich eine angenehme Route mit einer Fahrtzeit von etwas mehr als 2 Stunden und wir hatten danach einen sehr großen Teil des Lot Tales gesehen, die Hochebene überquert und mehr als die Hälfte vom Tal des Cele gesehen. Super Lösung.

Es ging besonders im Tal des Cele über schmale Sträßchen. In Frankreich ist es ein untrügliches Zeichen für eine schmale Straße, wenn die weiße mittlere Markierung fehlt und nur wie zur groben Orientierung hin und wieder in der geahnten Mitte der Strasse einige weise Striche zu sehen sind.

Meine Fahrbahn war genau so breit wie ich. Bei den wenigen Begegnungen mit anderen Fahrzeugen musste Raphael vom Gas und sehr langsam unter zu Hilfenahme des Grünstreifens am Gegenverkehr vorbei. Bei Lieferwagen oder kleinen LKW war zudem sehr genau auf meine Ohren zu achten, da der Gegenverkehr dann in gleicher Höhe ähnlich große Ohren als Außenspiegel hatte. Alles ging gut. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war unter 50 km/h.

Wie auch schon im Tal des Lot, war die Fahrbahn zum Fluss hin gesichert. Die Sicherung bestand aus einer kniehohen uralten völlig vermoosten Steinmauer aus einzelnen behauenen Quadern, die allesamt oben gerundet waren. Wo die Begrenzung versagt hatte waren Löcher in der Mauer zu sehen und ich wollte mir nicht vorstellen, wo der Mauer Durchbrecher gelandet war.

Wo es nicht direkt am Ufer entlang ging, sah es aus wie in einem Elfenwald. Die Bäume waren so alt und mächtig, dass Ihre Äste sich über der Fahrbahn berührten und wir das Gefühl hatten, durch einen grünen Tunnel zu fahren. Eine mystische Gegend. Die Straße führte meist sehr mäandernd durch die Landschaft. Fast wie ein abenteuerlicher Wanderpfad in einem verwunschenen Wald.

Auf dieser Strecke passierte es dann: Mein Tacho sprang auf 100.000 Kilometer Fahrleistung! Yippie, jetzt bin ich wirklich erwachsen. Selbstredend habe ich den Beiden versprochen sie noch mindestens die 3 wenn nicht sogar 4 fache Strecke zu begleiten und sie zu chauffieren, zu bewachen, ihnen zu Hause und Fahrzeug zu sein.

Nach dieser beeindruckenden Fahrt kamen wir in Camboulit kurz nach Mittag an. Camboulit hat weniger als 300 Einwohner, geht auf eine römische Siedlung zurück und war seit der Römerzeit immer bewohnt. Es liegt etwa drei Kilometer vom Cele entfernt, eingebettet in eine Hügellandschaft in den verschiedensten Grüntönen. Hellgrün vom frischen Austrieb der Büsche, saftiges etwas dunkleres Grün auf den gemähten Wiesen.

Mein Platz liegt am Ortseingang. Ist geschottert, wichtig wenn Starkregen und Gewitter angesagt sind, und ich stand bis auf wenige PKW alleine. Geparkt wurde wie gelernt, ganz hinten mit der Aufbautür zum Ende des Platzes unter Akazien und Nussbäumen. Die Nachbarn die ich sehen konnte waren, eine alte steinerne Feldscheuer, ein Chateau ähnliches Gebäude mit Turm etwa 100 Meter entfernt und das politische und gesellschaftliche Zentrum der Gemeinde.

Das Rathaus und die Gemeindehalle.

Beide proper herausgeputzt. Die Halle wie zu erwarten während der Woche geschlossen. Das Rathaus Montagvormittags und Freitagsnachmittags geöffnet. Also keine wirklichen Nachbarn weit und breit.

Eine Einwohnerin mit Hund kam vorbei, begrüßte uns aufs herzlichste und wünschte einen guten Aufenthalt. Sie wies die Beiden ausdrücklich darauf hin, dass an der Gemeindehalle ein Wasserhahn sei, den wir gerne benutzen können. Nebenan befinde sich eine Picknickfläche mit Bänken und Tischen, stünde alles zu unserer Verfügung. Zum Schluss versicherte sie uns, dass wir willkommen seien und einen sehr ruhigen Platz gewählt haben.

So viel Freundlichkeit und Herzlichkeit.

Camboulit hat von allen Dörfchen, die wir in den letzten Monaten gesehen haben, einen Platz unter den Top Five, absolut sicher. Aber sieh selbst. Klein, sehr original, teilweise absolut detailverliebt und nicht totrenoviert.

In der Nacht regnete es immer wieder und es gewitterte auch mehrmals heftig. Raphael beruhigte Sybille wegen dem Gewitter und den Blitzen mit einem sehr schönen Vergleich, der mir sehr gefiel. Er meinte wegen den Blitzen bestehe keinerlei Gefahr, da meine vier Reifen ja wie Gummistiefel wirkten und da bekommt man keinen Stromschlag wegen der Erdung. Bei dem Regen der vom Himmel fiel, kam mir dieser Vergleich sehr passend davor.

Figeac

14.06.2023. Am nächsten Morgen war es nach der feuchten Nacht sehr neblig, was  für einen Sonnenaufgang um so schöner war.

Auf Sträßchen, die wiederum nur meine Breite pro Fahrbahn hatten ging es dann nach Figeac.

Auf dem Weg dorthin, der sich wegen der Kurvenreichheit wieder einmal in die Länge zog, kamen wir uns vor wie auf der britischen Insel. Die Häuser aus großen behauenen Steinen gebaut, unverputzt und mit hölzernen Fensterläden, schiefergedeckten Dächern wie bei Cottages und in tiefem Dunkelrot vom verwendeten Sandstein.

Wir waren überrascht, dass wir immer noch am Ufer des Lot entlang fuhren. Wie wir später feststellten würde er uns noch eine ganze Weile begleiten.

Mit Figeac, wo Wäsche zu erledigen war endet der erste Teil der französischen Deviation.

In Figeac sollte an diesem Mittwoch in der alten Markthalle auf dem Hauptplatz ein Wochenmarkt stattfinden. Im Internet stand dass er Mittwoch und Samstag dort stattfindet. Die Halle haben die beiden gefunden, aber sie war von den Tischen und Stühlen einer Brasserie belegt. Sonderbar. Die Kellnerin klärte uns dann auf, dass der Markt am Mittwoch schon lange nicht mehr stattfinde, aber immer wieder Touristen ihn besuchen wollen. Niemand hatte es wohl für nötig befunden die Information in den entsprechenden Internetseiten zu löschen. Also im Supermarkt bei der Waschstation unsere Einkäufe erledigt. Schade eine Erzählung über einen gemütlichen Bummel über einen Wochenmarkt, zumal einen südfranzösischen hätte ich gerne auch einmal  gehört.

Wie immer sehen und hören wir uns dann in etwa 14 Tagen wieder. Ich freu mich auf Dich.

Es wird mit einem Zufallsfund-Stellplatz in Nauviale, einem Örtchen von dem wir zuvor auch nie etwas gehört hatten, losgehen. Fast hätten die Beiden dort ein Häuschen gekauft.

Das wäre ja eine tolle neue Bleibe. Da wäre ja mein Stellplatz direkt nebenan noch mehr als fürstlich, oder?

A bientot