Zur großen Überraschung komme ich etwas später. Zuerst noch einiges was mir oder besser uns in A Guarda so aufgefallen ist.
Es ist echt der Wahnsinn, wie schnell der Mensch sich an etwas gewöhnt und wie verschwenderisch mit Ressourcen umgegangen wird.
Wasser
Wasser ist so ein Beispiel. Solange die Beiden bei mir wohnten, kamen sie mit rund 10 bis 15 Litern Wasser am Tag ohne Probleme aus. Nach ein paar Tagen in der Wohnung stellten sie fest, wieviel Wasser oft gedankenlos vergeudet wird. Da in einer Wohnung das Wasser ja immer ohne Probleme aus der Leitung kommt, ändert sich das Verhalten sehr schnell. Bei mir überlegten sie immer wie das Wasser am effektivsten genutzt werden kann und wie lange die Tankfüllung reicht, bis zur nächsten Wasserstelle.
In der Wohnung wird der Wasserhahn weiter aufgedreht, das Wasser läuft viel länger bis warmes Wasser aus der Leitung kommt. Am heftigsten ist jedoch der Wasserverbrauch bei der Toiletten – Spülung:
Bei einer normalem Betätigung der Spülung rauschen je nach Alter und Typ des Spülkastens 8 bis 14 Liter sauberstes Trinkwasser durch die Keramik und tschüss!
Allein zweimal die Spülung betätigen verbraucht mehr Wasser, als bei mir ein ganzer Tag! Dabei haben die beiden es genauso gut mit ihrer Hygiene gehalten.

Natürlich hilft bei mir die Trockentrenntoilette zu einem Großteil bei der Reduzierung mit, aber der Unterscheid beim Verbrauch ist dennoch gigantisch.
Der blaue Hingucker
Etwas dagegen sehr Positives sind die auch jetzt noch überall blühenden blauen Trichterwinden. Diese wuchernden Pflanzen sind in Galizien und Asturien weit verbreitet und beranken, Bäume, Sträucher, Ruinen, Laternen Masten, aber auch Felsen und Wiesen.

Einfach ein schöner Hingucker, dieses leuchtende Blau.
Die blonde Kuh
Da ich gerade bei Farben bin, hast Du schon mal eine blonde Kuh gesehen?
In A Guarda gibt es eine, und was für eine!
Die blonde Kuh ist ein völlig untypisches Lokal für eine Stadt am Atlantik mit einem florierenden Fischereihafen.
In der Vaca rubia gibt es fast ausschließlich Fleisch, besonders vom Rind. Alles galicische Spezialtäten.
Die Kuriosität geht noch weiter, da der Besitzer der Vaca rubia ein waschechter Uruguayer ist. Die Gerichte sind samt und sonders vom Rind. Spezielle dry Age Rindersteaks, auf dem offenen Holzgrill zubereitet. Ein galicisches Chimichurri, und die ultimative Krönung für Fleischliebhaber schlechthin:
Das Tomahawk. Nein kein gegrilltes indianisches Kriegsbeil, aber auf Wunsch nicht weniger blutig.
Ein 2,5 kg schweres Tomahawk, das direkt am Tisch zubereitet wird und logischerweise aufgrund des Gewichts für mehrere Personen locker reicht.
Das Tomahawk ist ein dick geschnittenes Entrecôte bzw. Ribeye Steak und wird aus dem hinteren Teil der Hochrippe bis ins Roastbeef hinein geschnitten. Der Rippenknochen wird komplett am Fleisch gelassen.

Die Zubereitung ist aufgrund der Größe und Dicke nicht immer einfach. In der Vaca rubia wird das perfekt beherrscht und die Gäste kommen aus ganz Galicien und aus Portugal.
Glück im Unglück
Da wir gerade beim Essen sind. Eines Tages biss Raphael auf etwas Hartes und ein halber Backenzahn verabschiedete sich!
Autsch!
Zum Glück hielten sich die Schmerzen in Grenzen. Im Erdgeschoss befand sich eine Dental Klinik, die Raphael am nächsten Tag aufsuchte und zwei Tage später einen Termin erhielt. Da der Terminkalender der Klinik sehr voll war, bekam er einen Sondertermin morgens um 09.00 Uhr, die Klinik öffnete normalerweise erst um 10.00 Uhr. Die Zahnarzthelferin gab Raphael ihre private Handynummer.
Nein, nicht um ein Date zu vereinbaren, sondern, falls sich bei Raphael doch Schmerzen einstellen sollten. Sie würde dann einen Zahnarzt verständigen und für eine Behandlung vor dem Termin sorgen, auch außerhalb der Behandlungszeiten. Wirklich wahr und nicht erfunden!
Der Kiefer mit dem abgebrochenen Zahn wurde geröntgt und die provisorische Behandlung bei der, der abgebrochene Backenzahn überkront wurde, dauerte nicht mehr als eine halbe Stunde. Raphael glaubte nicht richtig zu sehen, als er die Rechnung in Händen hielt!
Volle 65,- €!
Von einem Bekannten, der etwas ähnliches als Privatpatient in Deutschland vor kurzem erlebt hatte, wusste Raphael, dass in Deutschland der 10 fache Betrag für die gleiche Behandlung nicht ausgereicht hätte.
Wie immer, Glück gehabt!
Trotz sehr schlechter Wetterprognosen, viel Regen, noch mehr Wind und immer wieder heftigen Sturmböen gelang es meine Beiden immer wieder längeren Spaziergänge am Atlantik zu unternehmen. Ich wunderte mich wirklich wie das immer wieder ohne nass zu werden möglich war. In den ganzen 4 Wochen wurden sie ein einziges Mal von einem kräftigen Schauer bis auf die Knochen durchnässt. Ansonsten gelang ihnen das Kunststück, bei den meist 1 bis 2 stündigen Spaziergängen, sogar die einzigen Sonnenstunden eines Tages zu erwischen.



So waren die 4 Wochen in A Guarda zwar sehr feucht und windig, aber keineswegs eintönig. Dazu kam ja noch die durchweg angenehme Temperatur Entwicklung. Die Tagestemperaturen lagen immer zwischen 17 und 22 Grad. Da ist die Feuchtigkeit gut zu verschmerzen. Selbst die Einheimischen verstanden das Wetter nicht. Normal sind im Oktober, November und Dezember je 10 Regentage. Dieses Jahr waren die alle vom 18. Oktober bis 17. November versammelt.

Womit ich nun beim dem 17. November, dem Tag des Beginns der Überraschung angekommen wäre.
Der Zwischenstop
Genau genommen beginnt die Überraschung allerdings am 12.11.2023. Da erreichte Sybille ein Anruf, dass ihre Mutter gestürzt sei. Ihre Schwester, die im gleichen Ort wohnt, konnte sich nicht um die Mutter kümmern, da sie selbst wegen gesundheitlicher Probleme stark eingeschränkt war und auf einen Kliniktermin wartete. Da Elfriede, Sybilles Mutter, mit ihren 86 Jahren alleine in einem großen Haus wohnt, war eines schnell klar.
So geht es nicht!
So beschlossen Sybille und Raphael, Elfriede anzubieten, dass sie nach Deutschland kommen und in eine freie Wohnung in ihrem Haus einziehen werden. Um präsent zu sein, ihr bei allen Arbeiten rund um und im Haus zu helfen und sich um sie zu kümmern.
Die Beiden wussten, dass Elfriede mit dem Gedanken schon einmal gespielt hatte, ein Rentner- Ehepaar zu nehmen, die genau das leisten konnten. Doch sie wollte dann doch nicht, fremde Personen in ihr Haus aufnehmen.
So fragten sie Elfriede, ob sie nicht doch ein Rentnerehepaar suchen wolle.
Nein, war die erwartete kategorische Antwort.
Und wenn die Rentner Sybille und Raphael heißen ?
Die Antwort kam ohne jede Verzögerung als ein klares und freudiges:
„Bei euch Beiden wäre das o.k. und ich würde mich sehr darüber freuen.“
Also war es klare Sache. Die Reise würde abgebrochen, unterbrochen was auch immer werden.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Mit diesem Motto wurde der Entschluss gefasst. Die Entscheidung, Elfriede zu helfen kam aus freien Stücken, von ganzem Herzen. Wir alle drei wissen, dass wir das FREI SEIN können, dass FREI SEIN uns gut tut, und am wichtigsten, dass wir das FREI SEIN jederzeit wieder fortsetzen können. Aber nun zählen erst andere Dinge.
Nach einem Termin mit den Vermietern und einem überaus fairen Kündigungsgespräch, es existierte ja ein Mietvertrag bis 31.03.2024, stand der Termin der Abfahrt für den 17.11.2023 fest.
Die Vermieter hatten großes Verständnis. Verzichteten ohne Problem auf drei ihnen laut Vertrag zustehende Monatsmieten und nahmen die Beiden zum Abschied noch in den Arm und wünschten Ihnen und auch Elfriede alles erdenklich Gute.
Auf geht`s!
17.11.2023. Nachdem um 10.00 Uhr die Schlüsselübergabe war, ging es los.
Am ersten Tag ging es bis nach Cudillero in Asturien. Cudillero kannten wir als völlig überlaufenes Fischerdorf. Wir waren dort nur kurz im Frühling gewesen. Direkt nach der Autobahn gab es einen Mas y Mas Supermarkt mit Ver- und Entsorgung. Einige Stellplätze für die Nacht waren auch in park4night verzeichnet.
Der Tagesablauf für die nächsten fünf Tage sah wie folgt aus. Nach dem Frühstück und allem was dazu gehört, war Aufbruch. Für einen Tag standen jeweils 400 bis 500 Kilometer an. Das entsprach immer rund fünf Stunden Fahrzeit. Jeweils mit einer längeren Pause zum Mittagessen dazwischen. Das Essen hatten die Beiden in A Guarda schon vorbereitet und eingefroren. So ging die Essenszubereitung immer recht schnell und es war noch genug Zeit für ein Erholungsschläfchen.
Das tat uns Dreien immer gut.

Nach der Ver-und Entsorgung in Cudillero, der letzten und einzigen vor Memprechtshofen stand die Stellplatzsuche an. Nach 4 Plätzen und einer halben Stunde Suche war der passende gefunden. In einem Neubaugebiet gab es längs zu den neuen Straßen massenweise fast ebene Parkplätze. Dort war es ruhig und nachts gut beleuchtet. Nach der Fahrt stand für mich ausruhen auf dem Programm und für die Beiden ein ausgedehnter Spaziergang.
So entdeckten Sie Cudillero neu und mussten feststellen, dass sie dem Ort Unrecht getan hatten. Oberhalb des touristenverseuchten ehemaligen Fischerdorfes gab es ein ganz anderes Cudillero. Ein gemütliches Dorf, mit schönen sehr gepflegten Anwesen und zum Teil imposanten Häusern.


Mehrere im Entstehen befindliche Neubaugebiete, wie mein Stellplatz und sehr viel Grün.
Bis zur Grenze
18.11.2023. Heute, ging es quasi durch den Rest von Spanien bis nach Irun, direkt an der französischen Grenze.
Hoch über Irun liegt eine ehemalige Festung auf Klippen. Von der Festung ist nicht mehr viel zu sehen, aber direkt daneben gibt es einen riesigen Platz, der bei WOMOs sehr beliebt sein soll.
Das war er wirklich! Bis 23.20 Uhr kamen immer neue WOMOS, die noch einen Platz suchten. Wie schon öfter beschrieben waren die meisten ruhig und leise aber es gab auch wieder welche, die sich zu der Uhrzeit noch lauthals unterhielten, gefühlte hundert Mal die Türen und Schiebetüren zuknallten und so weiter.
Uns störte es kaum, wir waren wie üblich am äußersten Rand mit der Aufbautür zum Parkplatzende und bekamen so relativ wenig mit. Neben uns, mit gut zwei Metern Abstand, ein älteres französisches Paar, das am kommenden Morgen bei mir ein Malheur entdeckte.

Raphael hatte beim Grauwasser ablassen, in Cudillero vergessen den Hahn vom Grauwassertank zu schließen. So plätscherte das Duschwasser der Beiden fröhlich aus mir raus. Als die Nachbarin, die gerade vom Morgenspaziergang zurückkam, klopfte und uns höflich auf das ablaufende Wasser aufmerksam machte. Dass es wirklich ein Versehen war, glaubte sie nicht, wie ihr Gesichtsausdruck deutlich verriet.

Peinlich, gerade uns, die wir so darauf achten alles sauber und ordentlich zu hinterlassen und unsere gesamten Wässer immer ordentlich zu entsorgen, passierte das. Naja, nicht mehr zu ändern.
Pizza Kiosk
19.11.2023. Das Wetter wurde mit jedem Kilometer trüber, was die öde Strecke rund um Bordeuax mit der keinerlei Abwechslung bietenden flachen Landschaft nicht gerade schöner machte. In Ussac fanden wir auf einem kleinen Parkplatz neben einem riesigen Park und einem Pizza Kiosk eine Bleibe für die Nacht.


Der Pizzakiosk hatte geöffnet, und so gab es am Abend, statt vorbereitetem Essen eine leckere Pizza. Ich hatte kurz nach der Autobahn schon meine Tagesration an Diesel bekommen.
Im Massif Central mit den falschen Schuhen
20.11.2023. Heute ging es quer durch das Massif Central in der Mitte Frankreichs. Eigentlich mehr darüber als durch. Die Autobahn führte mehrfach bis fast auf 1.000 Meter. Es gab spektakuläre Ausblicke von hohen Brücken in nebelvolle Täler. Berge und Hügel, die mystisch von der Sonne erhellt wurden und eine atemberaubend schöne Landschaft boten.

Zum Glück waren wir nicht eine Woche später unterwegs, wir hätten sonst einige Problem gehabt. An jeder Einfahrt wiesen Schilder darauf hin, dass die Strecke nur mit Winterreifen oder mitgeführten Schneeketten zu befahren sei, und das in der kompletten Zeit von 01.11.2023 bis 31.03.2024.

Oje, ich hatte ja nur Allwetterreifen aufgezogen. Schneeketten hatten wir nun wirklich nicht eingeplant. Aber wie gesagt, das Wetter war gut. Wir sahen kein einziges Gendarmerie Fahrzeug und konnten uns so einen riesigen Umweg um das Massif Central ersparen.
Nach dem Massif Central wurde es niedriger aber nicht flach, im Gegenteil. Wir durchquerten die Auvergne mit den unzähligen Vulkankegeln. Selbst den Puy de Dome, den bekanntesten und sagenumwobenen erloschenen Vulkan der Auvergne konnten wir in nicht allzu großer Entfernung sehen.

Den letzten Übernachtungsplatz der Fahrt erreichten wir dann bei Saint-Vit, kurz vor Besancon. Bei einem großen Sportgelände gab es genügend große Parkplätze, auf denen es sich prima und ruhig stehen liess. Wir waren wieder einmal an dem schönen Doubs, und hatten nach der langen Fahrt noch einen schönen ausgedehnten Abendspaziergang am Fluss entlang.
Sowohl der Doubs, als auch ein Platz bei Sportanlagen waren ja mittlerweile alte Bekannte geworden.
Durch das Franche Comte und das Elsaß nach Memphis
21.11.2023. An Besancon, Belfort, Muhlhouse und Colmar vorbei ging es bei Eschau über die Pierre-Pflimlin-Brücke nach Deutschland und dort nach Memphis.
Nicht Memphis in Tennessee, sondern Memphis, sprich Memprechtshofen, bei Rheinau-Freistett.
Sybilles Mama freute sich riesig und war glücklich, dass wir Drei die Fahrt gut hinter uns gebracht hatten. Wir hatten die letzten Tage ihr gegenüber immer gemogelt und sie in dem Glauben gelassen, dass wir erst am Mittwoch ankommen würden.
Nach fünf Tagen und 2.100 Kilometern war die Fahrt beendet.
Es ging in Spanien von der portugiesischen Grenze durch ganz Galicien, Asturien und Kantabrien an der Atlantikküste entlang bis nach Irun, das im spanischen Baskenland liegt.
Im französischen Teil der Route ging es durch die Regionen Nouvelle Aquitane, Auvergne Rhone Alpes, Franche Comte und Grand Est.
Um Dir den Abschied vom FREI SEIN etwas und mir zu versüßen und Dich langsam zu entwöhnen, gibt es noch einige Blogs mit Splitt am Rand unserer Reise. Auch zu einigen anderen Themen haben wir noch einiges auf Lager.
Also, wenn Du möchtest geht die Reise noch einige Zeit weiter, was mich sehr freuen würde. Aber dazu dann bald mehr. Auf jeden Fall melde ich mich vor Weihnachten wieder bei Dir!
Als Abschluss heute ein abgewandelter Liedtext der österreichischen Gruppe STS mit dem Titel:
Irgendwann bleib ich dann dort
Die letzten Monate waren sehr schön
Wir sind oft in irgendeiner Bucht gelegen
Die Sonne wie Feuer auf der Haut
Du riechst das Wasser und nichts ist laut
Irgendwo am Atlantikstrand
Jede Menge weißer Sand
Unter uns nur feiner Sand
Nach zwei drei Wochen haben wir es gespürt
Wir haben das Lebensgefühl dort inhaliert
Die Gedanken drehen sich um
Was vorher wichtig war ist jetzt ganz dumm
Wir sitzen unter einem Olivenbaum
Und spielen mit einem Stein
Es ist so herrlich anders als Daheim
Und irgendwann bleiben wir dann dort
Lassen alles liegen und stehen
Gehen von daheim für immer fort
Darauf kriegst Du unser Wort
Wie viele Jahre auch noch vergehen
Irgendwann bleiben wir dann dort.
Es passt einfach zu gut zu dem was war, was gerade ist und kommen wird.

Adios, hasta luego
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